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Hörtipp des Monats: Zum Bloomsday – Ulysses von James Joyce

Der unerhörteste Stoff der literarischen Moderne ist in einem ungeheuerlichen Lese-Spiel erschienen. „Eine spaßhaft-geschwätzige, allumfassende Chronik“, nannte Joyce sein Werk, das 1922 in die Welt kam. Als „obszön, unzüchtig, lasziv, nichtswürdig, anstößig und widerlich“ verdammte es die New Yorker Gesellschaft zur Unterdrückung des Lasters. Der Jahrhundertroman ist nun hörbar geworden. 1290 Minuten, oder 21,5 Stunden, dauert die Hörspielinszenierung des einen Tages im Leben des Romanhelden Leopold Bloom, an dem er als moderner Odysseus durch Dublin streift. Feinsinnig von musikalischen Motiven und atmosphärischem Einsatz getragen, wechseln sich Erzählerstimmen und innere Monologe der Figuren ab. Und so ist es gelungen, den sagenumwobenen, nahezu unlesbaren Literaturgiganten zu bändigen.

Das Lese-Spiel großer Schauspieler wie Dietmar Bär (unerreichbar gut als Leopold Bloom) Corinna Harfouch und Manfred Zapatka (grandios als magischer Erzähler) schafft Struktur und einen Rhythmus dort hinein, wo beim Alleinelesen die Geschehnisse jenes einen Tages, dem 16. Juni 1904, vielleicht nur einer intellektuellen Achterbahnfahrt gleichen würden, bei der einem schwindlig wird.

An jenem Tag verlässt der Anzeigenakquisiteur Leopold Bloom um acht Uhr früh das Haus und seine Frau Molly und wird auf eine große Irrfahrt durch Dublin geschickt wie Homers Odysseus. Die Schauplätze der Handlung sind das Dubliner Postamt, sein Verlagshaus, wo Bloom kurz vorbeischaut, Pubs und Spelunken, ein Bordell, ordinäre Dubliner Viertel, der Strand bei Sandycove – alles Orte, die seit Jahren am 16. Juni am Dubliner „Bloomsday“ gefeiert werden und von Laien in edwardianischen Kostümen oder von Schauspielern mit Lesungen bespielt werden. Doch so wie in diesem marathonartigen Hörspiel hat man die Orte noch nicht „lauschend gesehen“. Wenn man Joyces berstende, oft sogar derbe und dann wieder sinnlich-mäandernde Sprache als voluminöses Klangspiel begreift, wie es der anerkannte Berliner Autor und Regisseur des Epos, Klaus Buhlert, getan hat, hält man dem in atemloser Spannung stand. Ein Hund, akribisch gezeichnet, der einen Kadaver am Strand umkreist, die Fahrt mit einem ächzenden Leichenwagen, die einer Hadesreise ähnlich ist, und der große Schlussmonolog, als Bloom um drei Uhr nachts heimgekehrt neben Molly, seiner Penelope, einschläft, während sie über ihr Leben und ihre Begierden räsoniert (hinreißend sinnlich bis ordinär von Birgit Minchimayr in die Welt gedacht) – das sind nur einige der glanzvollsten von 18 Kapiteln. Sie an einem Stück zu hören gliche einem Versuch für das Guinnessbuch der Rekorde. Aber rechtzeitig die Höredition erworben, kann man den Stoff bis zum Bloomsday am 16. Juni schaffen. Zwei Stunden Hören vergehen wie im Flug.

James Joyce, Ulysses, als Hörspiel auf 23 CD, 1290 Minuten, Der Hörverlag, 16. Juni 2012, mit umfassendem Booklet, 99,99 Euro. Als mp3 auf 4 CD, 79,99 Euro. Sprecher: Corinna Harfouch, Dietmar Bär, Manfred Zapatka, Werner Wölbern, Thomas Thieme, Jens Harzer u.v.a. Regie: Klaus Buhlert.

Für Puristen, die das ungekürzte Werk vorziehen, erscheint zum Bloomsday am 16. Juni 2013 eine Gesamtausgabe des Ulysses als reine Lesung. 31 CD, ca. 38 Std., Der Hörverlag, 99,99 Euro. Als mp3 auf 6 CD 79,99 Euro. Sprecher: Burghardt Klaußner, Matthias Brandt, Sophie Rois, Jörg Schüttauf, Hanns Zischler, Axel Milberg, Christian Berkel, Ulrich Matthes, Ulrich Noethen u.v.a. Regie: Ralph Schäfer
(23.05.13-jvr)

Quelle media.ireland

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